Über die Arena-Piste von Oschersleben wehte der Sound vergangener Jahrzehnte hinweg. Die Jägermeister-Rennwagen von ‘72STAGPOWER aus Braunschweig drehten ihre Runde. Ein DTM-M3, ein Gruppe5-320 BMW, ein Porsche 914/6 GT. Auf ihrer „Haus-Rennstrecke“ wurden die orangefarbenen Boliden ausgiebigen Funktionstests unterzogen, um für die Starts bei verschiedenen Klassik-Veranstaltungen im kommenden Jahr top vorbereitet zu sein.

Chef-Testfahrer war ein Mann, der vor vielen Jahren schon im Jägermeister-Rennwagen unterwegs war: Otto Rensing (54). Er hat den professionellen Rennsport zwar schon lange aufgegeben, darf aber noch immer als „fast guy“ mit viel Erfahrung gelten. Otto Rensing war zweimal Deutscher Kart-Meister, gewann als BMW-Werksfahrer 1986 neben einigen Europameisterschaftsläufen u. a. das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, startete auch in der DTM, fuhr in England für Stewart-Racing, testete im Formel 1-Benetton, fuhr Formel 3000 und in der Langstrecken-WM u.a. auf einem Jägermeister-Porsche 962.

Vor allem aber ist Otto Rensing den Fans noch durch seine Duelle mit Michael Schumacher in der Deutschen Meisterschaft der Formel 3-Rennwagen 1990 im Gedächtnis. Damals gewann „Schumi“ das Championat nur ganz knapp vor Otto Rensing, und die Titelentscheidung fiel erst nach einem dramatischen Rennen im vorletzten Meisterschaftslauf auf dem Nürburgring.

Hier eine Plauderei mit Otto Rensing.

Erst mal zu unserem Test. Hat es Dir Spaß gemacht? Nach so vielen Jahren zurück in den Jägermeister-Rennern?

Otto Rensing: „Es war ein sehr emotionaler Moment, nach so langer Zeit wieder in ein Rennauto zu steigen, und dabei auch noch in solche Schätzchen! Die Autos waren tip-top vom ‘72Stagpower- Team vorbereitet. Ich habe Cheftechniker Michael Groth mit seiner Truppe bereits ein großes Kompliment ausgesprochen. Nach diesen Eindrücken werde ich auch in Zukunft sehr gerne kommen, um mich in das Team einzubringen.“

Deine Duelle mit Michael Schumacher liegen 26 Jahre zurück. Aber in der Erinnerung an 1990 sind ja bei Dir sicher noch präsent. Wie war das damals am Nürburgring? Auf dem Jägermeister-Ralt RT 34 von VW-Motorpsort? Gegen Michael Schumacher?

Rensing: „Wir hatten einen sehr intensiven Fight über die ganze Saison. Die Tabellenführung wechselte ständig hin und her, zwischen Michael und mir. Beim vorletzten Rennen auf dem Nürburgring musste ich unbedingt vor Michael ins Ziel kommen; sonst wäre er vorzeitig – also vor dem Finale in Hockenheim – Meister geworden. Wir startet das Rennen beide aus der ersten Reihe.“

Und dann?

Rensing: „In der ersten Kurve habe ich gleich attackiert. Michael hielt hart dagegen, und wir haben uns berührt. Michael kreiselte von der Strecke. Ich kam durch, aber mit einem stark beschädigten Frontflügel.“

Und Schumacher?

Rensing: „Der reihte sich irgendwo im Mittelfeld wieder ein.“

Dann war doch eigentlich erst einmal alles klar.

Rensing: „Nicht ganz. Peter Zakowski hatte sich – auf Grund unserer Kollision – an die Spitze gesetzt. Ich folgte ihm. In der Ford-Kurve verlor ich beim Anbremsen den Anpressdruck – wegen des defekten Frontflügels – und rutschte gegen Zakowski Auto und dann von der Strecke. Ich musste das gesamte Feld passieren lassen, bevor ich als Allerletzter wieder losfahren konnte. Meine Chancen schienen aussichtslos.“

Aber dann hast Du eine fulminante Aufholjagd hingelegt.

Rensing: „Genau. Das war sicher eines meiner besten Rennen. In der vorletzten Runde lief ich auf Michael auf, der sich ein hartes Duell mit Wolfgang Kaufmann lieferte. Und dann knallten die beiden aneinander – und ich war vorbei. Nun an vierter Stelle! In der Dunlop-Kurve sah ich Michael aber wieder herankommen. Er visierte mich förmlich an, um mich noch kurz vor dem Ziel abzuräumen. Aber ich zog zur Seite, ließ ihn passieren – natürlich war er viel zu schnell gewesen! So rodelte er ins Kiesbett.“

Du bist dann als Vierter über die Ziellinie gegangen. Knapp vor Michael Schumacher.

Rensing: „Ja. Damit war ich hoch zufrieden. Nach dieser Aufholjagd vom letzten Platz hatte ich ja auch meine Aufgabe voll erfüllt, vor Michael zu bleiben. Es war wieder alles offen für das Finale in Hockenheim. Aber dann passierten völlig irre Dinge, gleich nach dem Rennen. Ich wurde disqualifiziert.“

Aus fadenscheinigen Gründen.

Rensing: „Richtig. Erst hieß es, ich hätte beim Einfahren in die Startaufstellung einen Helfer angefahren. Diesen Vorwurf konnten wir vor dem Sportgericht vollkommen entkräften. Aber anstatt mir nun Platzierung und Punkte zurückzugeben, erhob das Sportgericht neue Vorwürfe. Ich hätte bei Gelb überholt. Später stellte sich heraus, dass der zuständige Streckenposten mit der Gelben Flagge ausgerechnet ein Kumpel von Michael Schumacher gewesen ist. Auch dagegen gingen wir zwar an. Aber der ADAC-Mann Hermann Tomczyk nahm mich bereits kurz nach dem Rennen zur Seite und entgegnete mir nach meinen Unschuldsbekundungen: ,Irgendwas finden wir immer gegen Dich‘.“

Eigentlich eine miese Angelegenheit. Sicher auch in dem Zusammenhang zu sehen, dass es starke Interessenvertreter gab, die Michael Schumacher kompromisslos in die Formel 1 bringen sollten.“

Rensing: „So mag es wohl gewesen sein.“

Und Deine Freundschaft zu Michael Schumacher?

Rensing: „Wir waren Freunde. Und es blieb kumpelhaft zwischen uns. Und unabhängig davon: Michael war ein grandioser Champion. Neben seinem unbestrittenen Fahrtalent habe ich immer auch bewundert, dass er im entscheidenden Moment stets Fortüne hatte. Das war ihm stets treu. Nur leider zuletzt nicht mehr.“

Text: Eckhard Schimpf / Otto Rensing
Bilder: kreativburschen / D. Salinger

Otto Rensing Testläufe Oschersleben 2016
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